Donnerstag, 29. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXXIV)

Burgdorf muss ja nicht
überall gepflegt sein.
Foto: Heinz-Peter Tjaden
 Mit der Faust niedergestreckt

  Meine Broschüre „Obdachloser Schimmelreiter“ dürfte man in der Tageswohnung der Diakonie inzwischen gelesen haben. Wie das Ordnungsamt meine jüngsten mails. Da Burgdorf auch die Vorgärten der Unterkunft Drei Eichen nach dem Motto „Soll doch jeder sehen wie gleichgültig wir sind“ behandelt, habe ich die Behörde gefragt, ob man mir Gartengeräte zur Verfügung stellen kann, damit ich die Pflege übernehmen kann. Ich hätte auch den Brocken im Harz fragen können, ob er nicht etwas nach Süden rücken will, damit man besser von ganz oben sieht, wer als nächstes auf Moskau losmarschiert. 

Nicht in den Vorgärten, sondern vor den Containern ist gestern Abend ein Heimbewohner von einem anderen Heimbewohner mit einem Faustschlag niedergestreckt worden. Erzählte nicht nur der Schläger, sondern auch das Opfer, das die Polizei alarmierte und in einem Rettungswagen behandelt  wurde.

Die Luft zwischen den beiden brennt bereits seit einigen Tagen. In Gesprächen mit mir kündigen beide immer wieder massive Gewaltanwendung an.


Montag, 26. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXXIII)

Erhältlich bei
Amazon.

Das verlorene Mädchen

Sie sitzt auf der Stufe vor dem Eingang zur städtischen Unterkunft Drei Eichen 1 und stochert mit einem Stöckchen im Sand herum, wo ihre Eltern sind, will sie nicht verraten, in wenigen Augenblicken wird sie sagen "Ich geh dann mal wieder." 

Dieses verlorene Mädchen, das 25 Jahre alt sein mag, kommt angeblich aus Bremen, manchmal auch aus Hamburg, sie ist das traurigste und im nächsten Moment aggressivste Wesen, das mir jemals begegnet ist. Nachts schreit sie das Haus zusammen und erinnert sich am nächsten Tag nicht mehr daran. Sie verkriecht sich in ihrem Schneckenhaus, sobald man ihr eine Frage stellt. 

Manchmal wird sie auch von Weinkrämpfen geschüttelt, ein Nachbar  hat deswegen in meinem Beisein kürzlich den Notdienst angerufen. Und ich habe mich wieder einmal gefragt, was dieses verlorene Mädchen in dieser Unterkunft zu suchen hat. 

Das frage ich mich auch bei dem 57-Jährigen, der täglich redet wie ein Wasserfall und schon alles gewesen sein will (Adliger, Wunderheiler, Soldat, Spion, Hacker). Was ihm in die Hände fällt, wird von ihm umgeräumt oder gestohlen. Manchmal wünsche ich mir, er würde mir meine Ohren stehlen. Gelegenheiten dazu hätte er noch genug, denn das Ordnungsamt hat mein Bleiberecht bis zum 31. Dezember 2023 verlängert. 

Mittwoch, 21. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXXII)

Nicht zurückgegeben,
sondern hingebracht.
Der Auto ist auch 
auf dem Foto.
Foto: Tjaden

Broschüre auch in der Landesbibliothek

Die Tageswohnung des Diakonischen Werkes in Burgdorf hat sie seit gestern, die Landesbibliothek Hannover seit einigen Minuten als Pflichtexemplar: meine Broschüre "Obdachloser Schimmelreiter-Wohnen auf Madeira fängt so gut an"

In der städtischen Unterkunft Drei Eichen, wo ich seit dem 27. März 2023 wohne, wird sie wohl schon bald Thema sein. Denn dort geht es weiter merkwürdig zu. Der erste Stock des Aufgangs 1 A ist zwar vor einigen Tagen von dem gröbsten Schmutz befreit worden, aber für die Dusche gibt es immer noch keinen Schlauch mit Duschkopf. Der 57-jährige Bewohner, der sich für einen Adligen hält, sagt dazu: "Nicht einmal das bekommen die hin."

Da ich das Erdgeschoss sauber mache, mich dort - wenn ich mal da bin - im Gemeinschaftsraum aufhalte und auch die Dusche und Toilette im Erdgeschoss benutze, frage ich mich natürlich, wo der Adlige duscht. Vielleicht in einem seiner Schlösser. 

Siehe auch "Volkers Austauschsystem"

Donnerstag, 15. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXXI)

Wie eine Gummiwand

Der Gestank ist wie eine Gummiwand. Ich pralle zurück. "Du solltest Raumspray nehmen", sagt der Adlige, der hinter mir steht. Carsten S. ist auf der Toilette gewesen. Laut Hygieneplan der Stadt Burgdorf weichen die Vorstellungen über Hygiene je nach Herkunft voneinander ab. Carsten S. ist ein Burgdorfer...Ich nicht.

Carsten S. wohnt seit über zwei Monaten in der Unterkunft Drei Eichen 1 A und lässt sich kaum einmal blicken. Unter der Dusche versteckt er sich aber nie. Ich mache mit Raumspray die Gummiwand durchlässig, zehn Minuten später kann ich mir endlich die Zähne putzen.

Der Adlige bekommt Besuch. Ein junge Frau mit großen psychischen Problemen holt sich etwas zu essen ab. Sie wohnt nebenan. Von mir bekommt sie eine Zigarette. Sie stammt aus Hamburg, sagt sie. Auch ihre Vorstellungen über Hygiene weichen von den Vorstellungen des Burgdorfers ab.

Herr G. aus Polen öffnet den Kühlschrank. "Brot vergessen", sagt er. Ich gebe ihm eine Scheibe. "Im Treppenhaus stinkt es wieder", sagt er. Auch seine Vorstellungen weichen...

Der Adlige redet jeden Tag ein bisschen weniger. Sein Redefluss trocknet langsam aus. Die junge Frau geht wieder nach drüben, der Adlige geht nach oben. 



Montag, 12. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXX)

Fehlen nur noch 
Kontoauszüge.
Foto: Heinz-Peter Tjaden

So sah das bei mir nicht aus

So hat der Automatenraum der Stadtsparkasse Burgdorf (Prospekte, Zeitungsseiten und Becher auf dem Boden verstreut) nicht ausgesehen, als ich dort am 25. und 26. März notgedrungen übernachtete, weil die sozialen Dienste von Burgdorf meine Nachrichten über meine Ankunft wohl nicht gelesen hatten. 

Wie damals der Stadtpark aussah, kann ich nicht sagen. Wie gestern hoffentlich nicht (Pizza-Verpackungen, Teller und Becher auf den Rastplätzen verstreut). Dass vor dem Bahnhof von Burgdorf ein Bus hält, der zum Hauptbahnhof in Hannover fährt, habe ich damals noch nicht gewusst. Ich wäre mit dem Zählen der Kippen an der Haltestelle bis heute auch noch nicht fertig geworden. Im Sitzen zählen könnte ich sie seit gestern nicht mehr. Jemand hat die Bank auseinandergenommen. 

Wie der erste Stock der Unterkunft Drei Eichen 1 A ausgesehen hat, habe ich oft genug geschildert. Immerhin ist das Gröbste vor einer Woche beseitigt worden. Wer nun aber damit gerechnet hat, dass Burgdorf fortan seinen Verpflichtungen nachkommt und wie im Hygieneplan festgeschrieben dreimal in der Woche eine Reinigungsfirma vorbeischickt, hat mit Schalterraum der Stadtsparkasse Burgdorf, Rastplätzen im Stadtpark und Bushaltestelle gehandelt. 

Mittwochabend hielt zwar ein Auto vor der Unterkunft, eine Frau und ein junger Mann stiegen auch aus und sie klimperte mit Schlüsseln, als ich sie nach dem Grund des Erscheinens fragte, als ich aber im Gemeinschaftsraum damit rechnete, dass der in Kürze gereinigt werden würde, war das Auto schon wieder weg. Es ist wie es ist, sagen deswegen weiterhin "Ajax", "Ajax"-Wasser und "Ajax"-Wischer, der Tjaden macht auch zukünftig mindestens dreimal in der Woche Gemeinschaftsraum, Küche, Treppenhaus und Toilette mitsamt Dusche im Erdgeschoss sauber.

Dienstag, 6. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXIX)

Porentief rein. Foto: Tjaden

Wirklich da gewesen: die Reinigungsfirma

Man staunt seit gestern in vielen Zimmern: Die Stadt Burgdorf hat eine Reinigungsfirma in die Unterkunft Drei Eichen 1 A geschickt. Sie war nicht erfundenermaßen da, sondern tatsächlich. So mancher sieht einen Zusammenhang mit meiner Einladung an den Radiosender NDR 2, sich doch einmal anzuschauen, wie Burgdorf Menschen ohne eigene Wohnung unterbringt. Mir egal. Hauptsache, die Gesundheit der Bewohner wird nicht mehr gefährdet und die Stadt hält sich an das, wozu sie sich im Hygieneplan selbst verpflichtet hat. Mal sehen, ob nun auch der Schimmel im ersten Stock bekämpft wird. 

Montag, 5. Juni 2023

Wieder Hilferuf

Gefunden auf den
Facebook-Seiten der Mutter. 
Mutter aus Wilhelmshaven sucht die Öffentlichkeit

Zwischen Madeira und Region Hannover pflege ich auch weiterhin meine blogs, doch mit einem Hilferuf aus Wilhelmshaven habe ich nicht gerechnet. Und mit der Bitte einer Mutter, auf diesen Jugendamts-Seiten über ihren Fall zu berichten, auch nicht. Nun warte ich erst einmal auf die Dokumente, die sie mir schicken will. Dann schauen wir einmal, warum diese Mutter Probleme mit dieser Behörde bekommen hat, die mir leider nicht unbekannt ist. 

Was ich erlebt habe  Der heutige Oberbürgermeister von Wilhelmshaven ist damals Leiter des Jugendamtes gewesen!

Samstag, 3. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXVIII)

Unten ab- und
oben angeschraubt.
Foto: Heinz-Peter Tjaden

Volkers Austauschsystem macht auch Volker sauber

Gestern habe ich noch angenommen, dass sich seine Königliche Hoheit, der Tausendsassa, an der Dusche im ersten Stock des Aufgangs Drei Eichen 1 A versucht hat. Doch es war der Cowboy. Da sich die Stadt Burgdorf in unserer Unterkunft wohl keine zwei kompletten Duschen leisten kann, hat Volker das 1 A-Austauschsystem erfunden. Was im ersten Stock fehlt, holt er sich aus dem Erdgeschoss, bevor er duscht. Anschließend schraubt er es oben ab und unten wieder an, damit auch im Erdgeschoss geduscht werden kann. 

Mit dem Wasser, das jetzt auch unter der Dusche im ersten Stock fließt, hat der Cowboy inzwischen auch für eine Grundreinigung im Badezimmer gesorgt. Obwohl die Stadt Burgdorf kein Geld für Reparaturen, Reinigungsfirmen und für die Schimmelbeseitigung hat, nehmen im Aufgang 1 A im öffentlichen Bereich die sauberen Quadratmeter zu und die dreckigen Quadratmeter ab. 


Freitag, 2. Juni 2023

Altkreis-Tagebuch (XXXVII)

Erfolgreicher als der
"General"? Foto: Tjaden
Jetzt aber Ajax

Der "General" hat abgedankt. Er kam gegen den Schmutz auf den Fliesen im Treppenhaus der städtischen Unterkunft Drei Eichen 1 A nicht an. "Jetzt aber Ajax" lautet deshalb seit gestern Abend das Motto.

Der auf der Flasche versprochene Frischeduft hat sich während der Reinigung zwar nur äußerst mühsam verbreitet, denn in der Unterkunft gibt es immer wieder Leute, die gegen angenehme Gerüche anstinken, aber noch weniger erfreulich war das Fliesen-Wisch-Ergebnis. 

"Gut machst du das", lobte zwar Volker, der von allen nur "Cowboy" genannt wird, meine Bemühungen, aber die Fliesen blieben weiter eher grau als ursprünglich schwarz. 

Später stellte ich fest, dass sich auch im ersten Stock jemand an dem Schmutz in Bad und Toilette abgearbeitet hatte, doch ebenfalls nicht viel erfolgreicher gewesen ist als ich. Angestrengt hatte sich wahrscheinlich jener Bewohner, der nach eigenem Bekunden von den Hohenzollern abstammt und fast täglich damit rechnen muss, umgebracht zu werden. Dieser 57-Jährige behauptet auch, dass er sehr ordnungsliebend sei. Wenn er im Gemeinschaftsraum war, findet man eins nach dem anderen nicht wieder, denn zu seiner Ordnungsliebe gehört das Sachen verstecken.

Altkreis-Tagebuch (XXXVIII): Volkers Austauschsystem