Über den richtigen Umgang mit Psychopathen
Kein Mitgefühl, kein soziales Verantwortungsgefühl, kein Gewissen: Fertig ist der Psychopath. Für den Umgang mit solchen gestörten Persönlichkeiten entwickeln derzeit das Ordnungsamt und die sozialen Dienste der Kleinstadt Burgdorf eine sensationelle Handlungsanweisung im zudem großen Stil.
Ort der Feldstudie: Obdachlosenheim Drei Eichen in BurgdorfPersonenkreis: Heimbewohner, Psychopath, Hausmeister
Erster Versuch: Bei diesem Versuch geht es darum, den Psychopathen zu stärken und die Heimbewohner und den Hausmeister zu schwächen. Einen nicht zu unterschätzenden Handlungsspielraum hat dabei der Hausmeister, der sich nicht nur häufiger auf dem Versuchsfeld tummelt als beispielsweise der Bürgermeister, der Sozialdezernent, die Abteilungsleiter der sozialen Dienste und des Ordnungsamtes der Kleinstadt, sondern sich deswegen auch schaden kann wie kein anderer.
Erster Schritt: Der Hausmeister und der Psychopath richten gemeinsam ein Zimmer für den Psychopathen ein. Wichtig ist die Lage des Zimmers. Empfohlen wird eine zentrale Lage, da Ereignisse an der Peripherie leicht in ihrer Wirkung verpuffen können. Selbsterlebtes ist nachhaltiger als Hörensagen.
Hausmeister und Psychopath verlassen vorübergehend die Szene. Der Hausmeister hinterlässt vage Andeutungen über die Gefährlichkeit des neuen Heimbewohners. Auf diese Weise werden bei den Heimbewohnern Unsicherheit, bange Erwartung und innere Ablehnung geweckt, die wichtig sind für den angestrebten Triumph des Psychopathen.
Zweiter Schritt: Im Zimmer tut sich tagelang nur dies: In einer Einkaufstüte, die Psychopath und Hausmeister in dem Zimmer aufbewahren, vergammeln Lebensmittel. Der Geruch soll die Heimbewohner daran erinnern, dass ihnen noch so einiges bevorsteht. Er führt aber auch dazu, dass der Hausmeister nie wieder eine Autorität bei Fragen der Sauberkeit und Ordnung sein wird. Dieser Effekt ist durchaus gewollt, denn letzten Endes muss auch der Hausmeister geschwächt werden. Dazu kann er selbst noch viel mehr beitragen, was noch zu beweisen ist.
Einschub: In diesem Stadium muss den Heimbewohnern immer wieder bewusst gemacht werden, dass sie das schwächste Glied sein werden. Begriffe wie "Einweisungsverfügung", "Notunterkunft" und "Aufwandsentschädigung" haben sich bewährt.
Dritter Schritt: Der Psychopath taucht unerwartet auf, hinterlässt unübersehbare Spuren seiner Anwesenheit und verschwindet wieder. Weitere Tage vergehen. Das Ordnungsamt teilt dem Psychopathen mit, dass er sich melden solle, sonst müsse er am 4. September 2023 die Schlüssel wieder abgeben. Das wirkt. Um zu zeigen, wer das Sagen hat, kehrt er am 5. September 2023 zurück und bewacht, was er für sein Reich hält. Dieses Reich dehnt er aus. Zugute kommt ihm dabei, dass er diese Ausdehnung von einem zentralen Punkt aus bewerkstelligen kann. Wir lernen also, wie wichtig Standorte sein können.
Vierter Schritt: Der Hausmeister schaltet sich ein. Er zitiert den Psychopathen in sein Büro, doch der bewacht lieber sein Reich. Der Hausmeister geht in Wartestellung, kann in ihr aber nicht verharren, weil sich ein Heimbewohner beschwert. Der Hausmeister sucht die Konfrontation mit dem Psychopathen und kündigt an, dass der Psychopath nach dem Wochenende ein neues Zimmer bekommt oder verschwinden muss. Nun muss der Psychopath alle Kräfte mobilisieren. Er terrorisiert die Heimbewohner auch nachts.
Fünfter Schritt: Der Triumph des Psychopathen wird perfekt. Er muss nach dem Wochenende kein neues Zimmer beziehen. Gehen muss er schon lange nicht. Der Hausmeister verkündet gegenüber den Heimbewohnern nicht nachvollziehbare Gründe für neue Zimmerbelegungen, der Psychopath glänzt so lange mit Abwesenheit, um 23 Uhr macht er aus seinem Reich eine Disco, Heimbewohner, die am nächsten Morgen das Haus verlassen, ohne zu wissen, wo sie in der nächsten Nacht schlafen werden, begleitet der Psychopath, bis sie weit genug weg sind. Den Hausmeister muss er nicht fürchten, Psychopathen fürchten nie etwas. Ein Heim, ein Psychopath, ein Triumphator.
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